Wunschbrunne tour im Ahrtal – 23. August 2025
Im Juni haben wir bei unserer Jahreshauptversammlung im Wunschbrunne e.V. einen wichtigen Entschluss gefasst: Zum Ende des Jahres 2025 wird der Verein abgemeldet und unsere aktive
Zeit im Ahrtal findet ihr Ende.
Unser 2. Vorsitzender Jens brachte den Vorschlag ein, das verbleibende Vereinsvermögen nicht einfach Satzungsgemäß aufzulösen, sondern es ganz gezielt betroffenen Familien im Ahrtal in Form von Gutscheinen zukommen zu lassen. Dieser Antrag wurde ohne Gegenstimme angenommen – und sofort machten wir uns daran, nach Familien zu suchen, die wir damit unterstützen können.
Norbert stellte den Kontakt zu Marion von der Katastrophenhilfe Münsterland her. Auch während ihrer Kanadareise ist sie für uns aktiv und bringt den Kontakt zu betroffenen Familien zustande, die dringend Hilfe benötigten. Torsten und Jens übernahmen daraufhin die Organisation der Gutscheine, sodass alles recht schnell ins Rollen kam.
Am 22.08. machte ich mich dann persönlich auf den Weg ins Ahrtal. Ich hatte mir einen Stellplatz auf dem Campingplatz Zur Burgwiese in Mayschoß gebucht und kam spät am Abend dort an. Nach einem kleinen Imbiss legte ich mich in meinen Bus, doch eine erholsame Nacht wurde es nicht – das Schlafen stellte sich als recht mühselig heraus.
Am nächsten Morgen half mir ein starker Pott Kaffee wieder auf die Beine. Mit dem Fahrrad startete ich Richtung Heppingen. Endlich hatte ich die Gelegenheit, das Tal einmal anders zu erleben: nicht im Vorbeigehen oder mit dem Blick auf Arbeit, sondern ganz bewusst, entschleunigt und mit offenen Augen.
Vor mir lagen rund zehn Kilometer: Radwege, Straßen, kleine Gässchen, durchzogen von den vielen schönen Ortschaften des Ahrtals. Auf meiner Fahrt sah ich sowohl neu errichtete Häuser, die wieder Hoffnung geben, als auch zerstörte Gebäude, die seit der Flut unberührt geblieben sind. Die Natur hat in den letzten Jahren vieles selbst geheilt – doch bei den Menschen ist es anders.
Unterwegs traf ich durch Zufall Andreas wieder, der mit seinem Hund auf seiner täglichen Morgenrunde unterwegs war. Ihn hatte ich erst eine Woche zuvor mit Tankgutscheinen überraschen dürfen. Die Freude über dieses unerwartete Wiedersehen war auf beiden Seiten groß, und wir nutzten die Gelegenheit für einen kurzen Austausch. Er zeigte mir in unserer Umgebung mehrere Häuser, deren Eigentümer bis heute nicht die notwendige Unterstützung und die Mittel erhalten haben, um wieder in ein normales Leben zurückzukehren. Viele Familien kämpfen Tag für Tag ums Überleben und hoffen auf ein baldiges Ende der Verzweiflung, das jedoch noch immer nicht in Sicht scheint.
Gegen Mittag erreichte ich Heimersheim. Dort traf ich auf Alex, die mich herzlich empfing – spürbar nervös, da sie von Marion nur wusste, dass es eine Kontaktaufnahme und eine Überraschung geben würde. Nach einer kurzen Vorstellung unseres Vereins und der Erklärung, dass wir gezielt Betroffene unterstützen möchten, öffnete sie eine Tür. Dahinter: ein Raum ohne Putz, ohne Boden. „Das wird mal mein Bad – wenn ich das Geld zusammen habe“, sagte sie.
Lange konnte ich die Spannung nicht mehr halten und überreichte ihr schließlich den Baumarktgutschein. In diesem Moment platzten alle Emotionen heraus: Eine Freundin von ihr meinte nur: „Alles richtig, sie hat es verdient – durch ihren unermüdlichen Einsatz als Helferin, obwohl sie selbst betroffen ist.“ Alex fiel mir um den Hals – und die Tränen liefen nicht nur bei ihr. Ich musste den Kloß im Hals hinunterschlucken, wechselte noch ein paar Worte mit den Freundinnen und machte mich mit diesem freudigen Gedanken wieder auf den Weg.
Die zweite Familie, die ich an diesem Tag besuchen wollte, lebt in unmittelbarer Nähe, war aber noch unterwegs. So nutzte ich die Zeit, mir ihr im Wiederaufbau befindliches Haus anzuschauen. Danach fuhr ich weiter Richtung Altenburg. Vor mir lagen nun einige Kilometer in die entgegengesetzte Richtung. Ein leichter Regen machte die Fahrt nicht unbedingt einfacher – aber eine Herzensangelegenheit lässt sich vom Wetter nicht bezwingen.
Die Fahrt Richtung Altenburg war dann wie erwartet entspannt und führte mich an der Flut-Ausstellung vorbei, wo ich die Gelegenheit nutzte, eine kurze Rast bei einer Tasse Kaffee einzulegen. Auf meinem Weg sah ich viele Radfahrer und Wanderer, die das Tal erkundeten, in der Gastronomie einkehrten oder die Weingüter besuchten. Allein ihre Anwesenheit bringt Hoffnung zurück ins Tal.
Das Ahrtal braucht den Tourismus – und es freut sich über jeden Besucher, der hier einkehrt und die Gastfreundschaft der Menschen genießt. Deshalb kann ich nur jeden ermuntern: Besucht das Tal – ob per Wanderung, mit dem Fahrrad oder einfach auf einem schönen Tagesausflug – und unterstützt die Anwohner mit eurer Anwesenheit.
Angekommen in Altenburg drehte ich wie gewohnt eine Runde durch den Ortskern und kam am stark reduzierten Versorgungscamp vorbei. Der letzte verbliebene Mitarbeiter freute sich über unser Wiedersehen und erzählte mir, dass er mittlerweile mehr oder weniger als „Mädchen für alles“ für die Bewohner gebucht wird. Mit seinem Radlader bewegt er unhandliche Gegenstände von A nach B und hilft dort, wo er gerade gebraucht wird.
Ein Besuch vor dem Gasthaus Faltin in Altenburg war für mich selbstverständlich – zu viele Erinnerungen, zu viel Freundschaft, Gastfreundschaft, Unterkunft und ein Treffpunkt für Gleichgesinnte verbinden mich mit diesem Ort. Es tut im Herzen weh, dass Frank seinen Traum nicht weiterleben darf.
Wir werden dich nicht vergessen.
Von dort fuhr ich weiter zu Sandra und traf auf ihre Mutter und die Tochter. Nach einem kurzen Austausch und einer Tasse Kaffee machte ich mich schließlich auf den Rückweg zum Campingplatz.
Bei meiner Ankunft dort traf ich noch Horst und Adrian. Wir freuten uns über das Wiedersehen und nutzten die Nachmittagssonne für ein kurzes Gespräch. Sie erzählten mir, dass nicht nur in ihrem Tinyhaus, sondern auch bei allen anderen Bewohnern, mit denen sie sprachen, der TV-Empfang abgestellt wurde. Als ob es nicht schon genug wäre, dass die Behörden zwei Rentner auf engstem Raum in einem 30-Quadratmeter-Haus unterbringen – nun wird den Bewohnern das Leben zusätzlich erschwert. Horst und Adrian suchen dringend nach einer eigenen Wohnung, doch mangels Wohnraum bleibt ihnen nur das Tinyhaus als Notlösung.
Nach nun über 50 gefahrenen Kilometern lud ich mein Fahrrad wieder in den Bus, checkte am Campingplatz aus und trat die Heimreise über Heimersheim an. Dort traf ich noch die junge Familie mit ihren drei Kindern. Wie zuvor bei Alex erzählte ich auch ihnen die Geschichte unseres Wunschbrunne e.V. – und überraschte sie schließlich mit einem Möbelhausgutschein, der sie bei ihrem für Oktober geplanten Umzug in ihr noch im Wiederaufbau befindliches Haus unterstützen wird.
Trotz allem war es für mich ein bewegender Moment, wieder vor Ort zu sein, die Menschen zu sehen, die Landschaft zu erleben und mit eigenen Augen wahrzunehmen, wie schwer, aber auch wie hoffnungsvoll der Weg der Betroffenen weitergeht.
Diese Tour durch das Tal hat mir wieder einmal gezeigt, dass Helfen oft ganz einfach sein kann. Es geht nicht nur um die verteilten Gutscheine – es geht um das Zuhören, um Präsenz, um den Menschen Unterstützung anzubieten. Man braucht nicht zwingend handwerkliches Geschick; oft reicht ein offenes Ohr oder die Bereitschaft, etwas zu organisieren, zu vermitteln oder zu überbringen.
Ich bin froh, dass ich mich damals entschieden habe, als Helfer weiterzumachen – und dass wir mit dem Wunschbrunne e.V. so vielen Familien helfen konnten. Es ist schön, Gleichgesinnte zu treffen und sich mit ihnen über Erlebnisse und Erreichtes auszutauschen.
Meine Hilfe werde ich auch weiterhin anbieten, gerne über das Ende des Wunschbrunne e.V. hinaus. Der Verein war für die Verteilung von Spendengeldern zwingend notwendig – doch das Helfen selbst braucht keine Vereinsform, sondern nur Herz und Einsatzbereitschaft.
Meine Herzensangelegenheit.